Maler und Schriftsteller

Marc Chagall

Zum Artikel gehen » Artikel für später merken

Marc Chagall, Krieg, 1941. Paris, Musée national d´art moderne.
Marc Chagall, Krieg, 1941. Paris, Musée national d´art moderne.

Marc Chagall

1887–1985

Marc Chagall, Russisch-jüdischer Maler und Graphiker der Schule von Paris . Geb. in Liosno (Gouvernement Witebsk).

Nach dem Besuch der Petersburger Akademie geht Chagall nach Paris , wieder zurück nach Rußland und ab 1923 wieder nach Frankreich , zuletzt in die Provence.
Dazwischen liegt eine fünfjährige Unterbrechung in den USA in den Jahren 1941–1946.

Chagall gestaltet immer wieder Erinnerungen aus seiner russischen Heimat, verdichtet z.B. russische Märchen zu Traumvisionen. Eine die realen Zusammenhänge aufhebende Malerei  geht durch sein ganzes Schaffen. Damit soll er den Surrealismus entscheidend angeregt haben.

Chagall malte für das Buch Die toten Seelen von Nicolai Gogol, die Fabeln von La Fontaine, die Decke der großen Oper von Paris  und sehr viele Bilder der Bibel, ferner zahlreiche Kirchenfenster von eindruckvoller Farbintensität. Natürlich gehört er wie praktisch alle weiteren und zuletzt genannten Künstler nur durch Geburt zum 19. Jahrhundert, den größten Teil des Lebens und ihr Werk aber sind Zeugnisse des 20. Jahrhunderts.

 

Marc Chagall, Jakob ringt mit dem Engel, Symbol des Widerstreits des Guten und Unguten im Menschen selbst. Musée National Message Biblique (Nizza).
Marc Chagall, Jakob ringt mit dem Engel, Symbol des Widerstreits des Guten und Unguten im Menschen selbst. Musée National Message Biblique (Nizza).

Engel: Sie sind als Begriff Mittler zwischen der Gottheit und den Menschen. Das griechische angelos ist bei den Franzosen ange, bei den Engländern angel und bei uns Engel. Es bedeutet nichts anderes als das hebräische, biblische malach – zu deutsch Bote.

Seine Bilder beweisen, „dass wir Engel brauchen, um dem Weltraum wieder irgendein Geheimnis zu geben.“ So malt Chagall Engel als Gäste beim Mittagsmahl, als Auftraggeber, als Boten der Versöhnung und so fort.

In seinem Erinnerungsbuch Mein Leben erzählt er, wie er einen Zipfel dieser Herrlichkeit zu fassen bekam, allerdings nur im Traum: „Meine Mittel erlaubten es mir nicht, ein Zimmer zu mieten. Ich musste mein Bett mit einem Arbeiter teilen. Dieser Arbeiter mit seinem tiefschwarzen Schnurrbart war wirklich ein Engel.“ Und dort erlebte Chagall diese Vision: „Ein viereckiges Zimmer, leer. In einer Ecke ein Bett und ich darin. Es ist dunkel. Plötzlich öffnet sich die Zimmerdecke, und ein geflügeltes Wesen schwebt herab mit Glanz und Getöse und füllt das ganze Zimmer mit Wolken und Bewegung aus. Flügel rauschen. Ein Engel! denke ich. Ich kann die Augen nicht öffnen, es ist zu hell und leuchtend. Das Wesen erhebt sich, nachdem es das ganze Zimmer durchschwebt hat und verschwindet durch den Spalt in der Decke. Es nimmt alles Licht und die himmelblaue Luft mit sich. Nun wird es wieder dunkel, und ich erwache.“ Und kurz darauf bricht die Herrlichkeit wirklich herein über den Geruch nach Fisch und Terpentin.

Der Inbegriff des Wunders wird greifbar und heißt Bella Rosenfeld. Sie wird sein Engel, so wie sie auf Bildern jener Jahre engumschlungen mit ihm über die Dächer der russischen Heimat fliegt. Als 1944 der ganz und gar nicht geschlechtslose Engel, sein privater Schutzengel, stirbt, verzagt Chagall und fängt erst Monate später wieder an zu arbeiten. Drei Jahre danach vollendet er in einer einsamen Holzhütte an der amerikanischen Ostseeküste den Engelssturz, die stärkste seiner Engelsvisionen, an der er schon 1923 und 1933 gearbeitet hatte, die all das unbegreiflich Gräßliche des Holocaust  in sich trägt.

„In meiner Malerei  ist kein Platz für Märchen, Fabeln oder volkstümliche Legenden. Ich bin gegen Bezeichnungen wie Fantasie und Symbolismus. Unsere ganze innere Welt ist Wirklichkeit, vielleicht greifbarer als die wirkliche Welt“, sagte Chagall. Und er nannte auch Engel, die durchaus leibhaftig gewesen waren. Sie heißen Mozart oder Shakespeare oder Bach.

Und einer von ihnen müßte mittlerweile Chagall heißen, denn der hatte sich fest vorgenommen, einer von den Engeln zu werden, die er aus seiner eigenen inneren Wirklichkeit längst kannte.
„Erkenne mich von dort oben. Laß mich nicht allein in der Wüste. Ich möchte dein Engel werden. Und dich besingen, so schwach ich auch bin.“

 



Weblinks