Die Ahnenreihe des Menschen

Die East-Side-Story

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Zeichnung des Grabenbruch-Areals.
Zeichnung des Grabenbruch-Areals.

Zu geophysikalischen Untersuchungen: Das ostafrikanische Grabenbruchsystem ist vor ca. 8 Mio. Jahren besonders aktiv gewesen. Dieses Grabensystem Ostafrikas, das sich mehr als 6.000 km weit vom Jordan bis zum Sambesi (Kenia) erstreckt, hat die Landschaft tiefgreifend gestaltet: Es begann laut paläoklimatischen Studien die zunehmende Austrocknung der östlich davon liegenden Gebiete. Der Graben bildet eine tektonische Störzone, begleitet von Vulkanismus , der vor 8 Mio. Jahren besonders aktiv war. Hebungen und Senkungen hatten auch klimatische Auswirkungen (s.o. Austrocknung) und verursachten wahrscheinlich eine räumliche Aufspaltung der gemeinsamen Vorfahren von Mensch  und Menschenaffen  in getrennte Populationen.

Östlich begann die zunehmende Austrocknung mit Bildung von Trockensavannen. Die Populationen westlich und östlich dieses Grabenbruchsystems paßten sich verschiedenen Klimaten an, die Pongiden (Schimpansen) dem tropischen Regenwald, die Hominiden (Menschenartigen) den Dornstrauch- und Steppensavannen.

Erst nach 1980 ließ eine komplette Bestandsliste aller Funde in Afrika  (etwa 2000 Relikte von Hominiden) die Folgen dieser Entwicklung publik werden: Es zeigte sich, dass im östlichen Afrika  während der Zeit der Australopithecinen  niemals ein Vertreter der Schimpansengattung Pan gelebt hatte und nicht einmal ein engerer oder gar direkter Vorfahre dieser Menschenaffen . Weil aber feststeht, dass Menschen und Schimpansen molokularbiologisch extrem nahe verwandt sind, muss ihr letzter gemeinsamer Vorfahre vor geologisch nicht sehr langer Zeit existiert haben.

Warum also keine Paniden im Osten? Und das bei 250.000 gefundenen Wirbeltierfossilien?
Beim großen ostafrikanischen Grabensystem, das sich vom Roten Meer nach Süden längs durch den Kontinent zieht, hört das Verbreitungsgebiet von Schimpansen und Gorillas ziemlich abrupt auf. Alle mehr als 3 Mio. Jahre alten Hominiden hingegen lebten östlich dieser Geländemarke.
Erklärung: Die Verbreitungsgebiete der Hominiden und der Panidenfamilie hatten sich niemals überschnitten.

 

Kiang West savanna

Savanne im Kiang West Nationalpark in Gambia; Foto: Ikiwaner.

Vor ca. 8 Mio. Jahren bewegten sich in einer tektonischen Krise Erdkrustenplatten derart auseinander, dass die seitlichen Grabenschultern sich hoben. Diese Verwerfungen wirkten sich auch auf Luftzirkulation und Klima aus: Westlich des Grabens brachten Wolken vom Atlantik weiterhin reichlich Regen. Östlich dieser Wetterscheide wurde die Region in die Monsunzone einbezogen, womit sich Regen- und Trockenmonate abwechselten. Nach und nach setzte sich im Osten eine trockenresistente Savannenvegetation durch. Die uns interessierende Primatengruppe, nämlich letzter gemeinsamer Vorfahre von Mensch  und Schimpanse, muss wohl durch diese Ereignisse ebenfalls in zwei Populationen geteilt worden sein: in eine größere westliche und eine kleinere östliche.

Die weitere Evolution beider Linien war wesentlich von ihrem jeweiligen, dem Klima entsprechenden Habitat geprägt. Die Nachfahren der westlichen Population, die Paniden, paßten sich immer besser dem feuchtwarmen Waldmilieu an, die östliche Population entwickelte ein völlig neues Repertoire von Überlebensstrategien in zunehmend offenem Land.
Dieser Umweltdruck leitete offenbar die Entwicklung der Hominiden ein!

Tektonische Geschehnisse haben ökologische Veränderungen zur Folge, die ja oftmals mit Evolutionsschüben einhergehen. Es entstehen ja auch oft sehr spezifische Tier- und Pflanzenpopulationen durch geografische oder klimatische Barrieren. Die entstandenen Flüsse und Seen bildeten eine zusätzliche Barriere. Dies ist die East-Side Story.

 

Es gibt mit Sicherheit einen Zusammenhang zwischen Klimaänderung und Evolution der Hominiden. Unzweifelhaft ist der Mensch  das Ergebnis einer evolutiven Anpassung an ein ziemlich trockenes Klima. Äußere Ereignisse wie geotektonische oder auch (in deren Gefolge) Klima-Änderungen können Evolutionsschübe auslösen.

Zwei führende Theorien gehören auch zu den noch ungeklärten Fragestellungen zum Ursprung des Homo  sapiens:

1. Alle heutigen Menschen entstammen Homo-erectus-Populationen. Dies ist das Modell der multiregionalen kontinuierlichen Entwicklung. Demnach also entstand der Mensch  in verschiedenen Regionen der Welt zugleich.

2. Das Modell des singulären Ursprungs lautet: Der moderne Mensch  stammt von einer einzigen Population ab, die in einem begrenzten Gebiet gelebt hat, das mutmaßlich in Afrika  lag. Dieses Modell nennt man auch Eva-Theorie.

Multiregionale oder singuläre Entwicklung?
Multiregionale oder singuläre Entwicklung?
Dieses zweite Modell der singulären Entwicklung in Afrika  paßt viel besser zu den Kenntnissen von Evolutionsprozessen im allgemeinen. Alle jetzt lebenden Bevölkerungsgruppen stammen von einer einzigen Population ab, die etwa 150.000 oder 160.000 Jahre vor der Gegenwart lokal begrenzt auftrat. Dem recht dürftigen Fossilfund nach war dies irgendwo in Afrika . Begründet wird diese These u.a. mit molekularbiologischen Vergleichen bestimmter Abschnitte des Erbmaterials. Der Aufstieg des modernen Menschen ist der letzte Akt dieses Schauspiels evolutiver Aufspaltungen und Spezialisierungen.

Von frühesten Zeiten ist Afrika  das Ursprungsland neuer Entwicklungslinien gewesen. Im Vergleich beider Theorien scheint die Waage von der multiregionalen Hypothese mehr zur Eva-Theorie zu schwenken, vor allem durch Vergleiche mit DNA-Stichproben.



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