Ein Papst verlässt die Bühne

Johannes Paul II.

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Papst Johannes Paul II., Public Papers of the Presidents of the United States - Photographic Portfolio--1993 Vol. II http://www.access.gpo.gov/nara/pubpaps/1993portv2.html, Retouche.

Johannes Paul II.

02.04.2005

Im Alter von 84 Jahren stirbt in Rom Karol Wojtyla (1920–2005), der polnische Papst Johannes Paul II. nach einem 26-jährigen Pontifikat.

Das Sterben des Papstes geschieht für einige Tage unter dem Licht von Scheinwerfern in den Nächten auf dem Petersplatz und vor den Augen von Millionen gläubiger Menschen vor den Fernsehschirmen. Noch nie zog ein Ereignis so viele Zuschauer auf allen Kontinenten an. Die gesamte Weltgemeinde ist praktisch zu ihm gekommen, nicht nur aus allen Städten Europas. Aus Moskau, Havanna und Santiago de Chile, aus Peru, einer der Hochburgen der linken Befreiungstheologie in den Siebzigerjahren, und anderen Ländern Lateinamerikas, wo knapp die Hälfte der weltweit über eine Milliarde Katholiken lebt.

Aus dem Vatikan berichtet Kardinal  Camillo Ruins in seiner Messe: „Der Papst sieht und berührt schon den Herrn“, und von Johannes Paul erfahren wir den Satz: „Ich bin froh, seid Ihr es auch.“ Für den naturwissenschaftlich geprägten Menschen klingen solche Sätze wie Euphemismen, denn der Glaube an ein Leben nach dem Tod ist aus Sicht der modernen Wissenschaft schlichter Selbstbetrug.

Wojtyla war mit Sicherheit einer der populärsten Vertreter der christlichen Kirchen seit Jahrzehnten. Wie kein anderer Papst hat er mehr als einhundert Reisen ins Ausland unternommen, wo er vor allem die Herzen der – nicht nur der katholischen – Jugendlichen bewegte.

1981 überlebte er ein Attentat, das wohl im Auftrag des Geheimdienstes KGB erfolgte.
Was dieser Papst zu Lebzeiten oft vergeblich versuchte, gelingt ihm im Sterben: Katholiken und Orthodoxe, Juden und Protestanten sind vereint im Gebet, in mehreren Städten wie Warschau sogar gemeinsam.

Wojtyla geht dennoch als konservativer Reformer in die Geschichte ein. Er, der erstmals seit 455 Jahren als Nichtitaliener auf den Stuhl Petri berufen worden war, erwies sich in Fragen des kirchlichen Glaubens als kompromißlos, zu Fragen bezüglich Schwangerschaftsverhütung und der Rolle von Frauen in der Kirche  überaus konservativ, betreffs katholischer Schwangerschaftskonfliktberatung und des Dauerthemas Zölibat ablehnend.

Der Theologe Hans Küng nennt ihn einen Papst der Widersprüche. Eher war er aber ein Papst des Widerspruchs gegen die Lebenslügen der Moderne, wie Martin Posselt (Redakteur beim Bayerischen Rundfunk) formulierte. Johannes Paul spielte perfekt auf der Klaviatur der Medien, besaß großes Kommunikationstalent und große Sprachbegabung. Er zog die Menschen in seinen Bann, band die Ortskirchen fester an die römische Autorität, suchte den Dialog der Religionen, den Kampf für Menschenrechte und Frieden, wurde zu einem der schärfsten Kritiker der Globalisierung und geißelte den Materialismus, Individualismus und Agnostizismus des Westens. Macht und Politik hat er verachtet. „Kein System und kein Imperium wiegen so schwer wie die Seele eines Menschen“, meinte er.

Er lebte und lehrte stets aus der Gewißheit der Gegenwart Gottes, konnte in gewinnender Menschlichkeit von persönlichen Glaubenserfahrungen sprechen, auch vom ewigen Rätsel des Lebens und vom Schweigen Gottes.

Das Konklave bestimmt noch im April 2005 einen Deutschen zum Nachfolger auf dem Stuhl Petri: Kurienkardinal Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.).

 



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