Vom Luder zur Nachtigall - Martin Luther und die Reformationszeit

Philipp II., Herzog von Alba und Wilhelm von Oranien

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1555 übergab Karl V.  seinem Sohn Philipp die Oberhoheit über die Niederlande, die damals aus 17 Provinzen inklusive des heutigen Belgien bestanden. Holländisch (= niederdeutsch) sprach man u.a. in sieben nördlichen Provinzen und vier Provinzen im nördlichen Bereich Flanderns. Wallonisch, ein französischer Dialekt, war bevorzugt die Sprache südlicher Provinzen. Diese Landesteile standen alle mit Luxemburg unter habsburgischer Herrschaft.

Philipp II Spanien MATEO

Portrait Philip II von Dominicus Custos.

Das Volk war 1555 überwiegend katholisch, aber eher humanistischer Art seit dem bedeutenden Erasmus . Karl hatte versucht, Einflüsse des Luthertums (seit 1520) und des Calvinismus durch Einführung der päpstlichen oder bischöflichen Formen der Inquisition  zu hemmen. Jede Abweichung von der katholischen Orthodoxie sollte scharf bestraft werden. 1558 befreite eine Volksmenge in Rotterdam einige Wiedertäufer vor dem Scheiterhaufen. Dieser Tatbestand und einige ähnliche genügten Philipp, um die spanische Form der Inquisition  in ihrer ganzen Härte einzuführen.

Lamoral, Graf von Egmont, besaß weite Ländereien in Flandern und Luxemburg, erzielte Siege in manchen Feldzügen und wurde Liebling Karls und Philipps, nicht nur durch den Sieg von Saint Quentin (1557).

 

 

Der reichste der Gutsbesitzer war Wilhelm von Nassau, Fürst von Oranien (von dem kleinen Fürstentum Orange in Südfrankreich hergeleitet). Erst lutherisch, dann katholisch erzogen, Ritter  vom goldenen Vlies, war er zudem vieler Sprachen mächtig. Philipp dagegen, in Spanien aufgewachsen, sprach im Gegensatz zu seinem Vater Karl weder die französische noch die holländische Sprache. Er setzte spanische Garnisonstruppen in Holland ein. Seine Forderung nach Steuerabgaben an die Adligen und Kaufleute der Niederlande wurde verweigert. Erst später bekam er die geforderten drei Millionen Gulden. Aber die Gewalt gegen Ketzerei  führte dazu, dass er 1559 nach Spanien segelte und nie mehr in die Niederlande zurückkam.

Der Kampf begann Formen anzunehmen. Neue Regentin wurde die Herzogin Margarete von Parma, Tochter Kaiser  Karls und einer flämischen Mutter. Egmont und Oranien saßen in ihrem Staatsrat, wurden aber laufend überstimmt und nahmen schließlich nicht mehr teil. Oranien, Egmont und Horn waren selbst katholisch. Margarete war für eine Verständigung mit den Adligen, aber die Inquisition  breitete sich sehr schnell aus. Es kam nach 1560 zu barbarischen Hinrichtungen. Titelman hieß der Schlächter der Inquisition .

Philipp Wilhelm von Oranien-Nassau Siegerlandmuseum

Philipp Wilhelm von Oranien-Nassau (1554-1618), Ölgemlde, Siegerlandmuseum, Siegen

Wilhelm von Oranien war bemüht, die Niederlande politisch vereint zu wissen. Er war politisch tolerant und trat für Glaubensfreiheit ein. Egmont sollte in Spanien die Edikte mildern, kehrte aber erfolglos zurück. Margarete folgte Philipps Forderungen und befahl strikte Durchführungen der Edikte gemäß dem Tridentinischen Konzil 1564. Oranien und Egmont traten wiederum aus dem Staatsrat zurück. Geschäfte schlossen, der Handel kam zum Erliegen. Viele Menschen nahmen heimlich den protestantischen Glauben an, gründeten eine Liga mit dem Ziel, die Inquisition  aus dem Lande zu vertreiben. Bittsteller erschienen vor Margarete und fragten: „Weshalb fürchtet sich Eure Majestät vor diesen Bettlern (ces gueux)?“ Dieser Name wurde von den meist adeligen Verbündeten angenommen. Sie nannten sich fortan les gueux (die Geusen) und legten sich graue Gewänder zu. „Vivent les gueux!“ wurde zum Schlachtruf der Revolution.
Philipp gab sich schließlich einverstanden mit der Abschaffung der bischöflichen Inquisition  und bot Amnestie an, aber Calvinisten, Lutheraner und Wiedertäufer nutzten diese Windstille im Sturm (1566): Vor von 15.000 bis 20.000 Leuten besuchten Versammlungen kam es zu Haßtiraden. Es folgten Kirchenzerstörungen, vor allem Antwerpen wurde Mittelpunkt von pöbelnden Bilderstürmern. Die Raserei erreichte schließlich Amsterdam, Leiden, Delft, Utrecht und Friesland.

Margarete sah sich genötigt, den kalvinistischen Gottesdienst zu erlauben. Wilhelm von Oranien erkannte in dem leidenschaftlichen Protestantismus ein Werkzeug, die Unabhängigkeit der Niederlande zu erreichen. Der Herzog von Alba wurde von Philipp aus Spanien geschickt, um die Tumulte zu rächen. Alba war wie ein Mann eines Gemäldes von EI Greco, von gelber Haut, dunklen Augen und silbernem Bart. 1567 marschierte er in Brüssel ein, und Egmont empfing ihn mit Respekt. Margarete erbat ihre Abdankung, verließ Brüssel und ging zurück in ihre Heimat Parma, betrauert von den Katholiken.

Tizian 060

Herzog von Alba, Portrait von Tizian , Sammlung des Herzogs von Alba, Palacio de Liria, Madrid.

Alba ließ sich in der Zitadelle von Antwerpen nieder, lud Egont und Hoorn zu einem Essen ein und ließ beide verhaften. Ein Rat der Unruhen wurde bestellt, bestehend aus 7 Niederländern und 2 Spaniern, von denen nur die Spanier stimmberechtigt waren. Denunzianten ermutigte man, gegen Feinde, Freunde und gar Verwandte auszusagen. Wilhelm von Oranien wurde zum Geächteten erklärt, den jeder demnach straflos töten durfte. Nun befahl Alba die Hinrichtung Egmonts und Horns, schon allein um die 3.000 Mann Bewachung in Gent frei zu bekommen.
Wilhelm flüchtete, als Bauer verkleidet, in Deutschland  von Stadt zu Stadt. So begann der 80-jährige Krieg, der bis zum niederländischen Endsieg 1648 dauern sollte.

Eine neue Bande bildeten die wilden Geusen: Mönchen und Priestern schnitt man Nasen und Ohren ab, Kirchen wurden geplündert. Ein weiterer Zusammenschluß waren die Wassergeusen. Sie nahmen 18 Schiffe in Besitz, machten Jagd auf spanische Schiffe und wurden von vielen holländischen Städten unterstützt, wo und wie es nur möglich war. Jetzt entstand die heute noch gültige niederländische Nationalhymne Wilhelmus van Nassouven.

Wilhelms Bruder Ludwig von Nassau war ein wichtiger Helfer im Kampf gegen Alba. Philipp erkannte, dass Alba überaus unpopulär und zudem teuer war. Es gibt Meinungsbildner, die sagen: Alba hat dem Katholizismus mehr Schaden in sieben Jahren zugefügt als Luther und der Calvinismus in einer ganzen Generation.

1573 erfolgte Albas Abschiedsgesuch. Er lebte noch bis 1582. Philipp, der seit 1575 praktisch bankrott war, beorderte seinen Halbbruder Don Juan d'Austria als Nachfolger Albas. Es kam 1576 zur Besetzung Antwerpens und zur grauenhaftesten Plünderung in der niederländischen Geschichte. 7.000 Bürger wurden getötet, Gebäude und Kunstwerke verbrannt. In diesem Blutrausch der spanischen Soldaten lautete ihr Schlachtruf: „Santiago! Espana! A sangre, a carne, a fuego, a saco!“ (Blut, Fleisch, Feuer , Plünderung). Zwei Tage dauerte diese spanische Raserei. Don Juan war zwar tapfer, aber ein unbeholfener Diplomat, besaß zu wenig Geld und Soldaten. 1577 sollte ein zumindest kurzer Frieden geschlossen werden, die spanischen Truppen zogen ab und Juan plante, nach England zu gehen, Elisabeth abzusetzen und nach Möglichkeit Maria Stuart  zu ehelichen. Als Philipp von diesem Plan erfuhr, soll er ausgerufen haben: „Ein Spinner!“

Die Kalvinisten in Holland waren derselben Auffassung wie die spanischen Katholiken, nur Ungläubige konnten Duldsamkeit ausüben. Wilhelm wurde „Atheist“ genannt.

In der Folgezeit kam es zu großen Greueltaten der Kalvinisten; katholische Gottesdienste wurden verboten, wo immer möglich. Eine neue spanische Armee von ca. 20.000 Mann besiegte die undisziplinierte Steitmacht der niederländischen Generalstaaten. Don Juan starb an einem bösen Fieber 1578 mit 33 Jahren. Der spanische Feldherr und General Farnese wurde Generalgouverneur. Er war der Sohn der früheren Regentin Margarete von Parma und weit geschickter als Alba, zudem weniger grausam.

1581 wurde Wilhelm von Oranien von Philipp in die Acht genommen. 1582 erfolgte ein Attentat, das er glücklich überlebte. Eine Pistolenkugel unter dem rechten Ohr durchquerte den Gaumen und trat an der linken Wange wieder heraus.

Nur noch zwei der vereinigten Provinzen hielten Wilhelm die Treue, Holland und Zeeland. Sie bildeten den Grundstein für das Haus Oranien, das 1688 England erobern und halb beerben sollte.

1584 wurde Wilhelm das Opfer eines weiteren Attentats. Mit höchsten Ehren begrub man ihn in Delft. Seinen zwölf (!) Kindern konnte er nichts vererben, da er sein ganzes Privatvermögen im Dienste des Staates ausgegeben hatte.

Fast die ganzen Niederlande fielen wieder an Spanien (1585), aber die Wassergeusen hatten die Häfen und damit das Meer unter ihrer Herrschaft.

 



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