Vom Luder zur Nachtigall - Martin Luther und die Reformationszeit

Martin Luther

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Martin Luther im Alter von 45 Jahren, Portrait von Lucas Cranach d. Ä.
Martin Luther im Alter von 45 Jahren, Portrait von Lucas Cranach d. Ä.

Martin Luther

1483–1546

Martin Luther, geboren und gestorben in Eisleben (Thüringen).

Mit 21 Jahren tritt der fleißige Student der Rechte in das Augustinerkloster Erfurt ein. Im Elternhause Luder (erst Martin geht zu der Schreibweise Luther über) ist man entsetzt und will dazu „alle väterliche Gunst verweigern“, wie der Vater zornig brieflich mitteilt. Hans Luder hat seine Familie mit neun Kindern zu ernähren. Zunächst wie die Vorfahren Bauer, verdient er den Lebensunterhalt als Häuer im Kupferschiefer-Bergbau des Unterharzes und ab 1483 in Eisleben. Sein ungeheurer Fleiß muss sich wohl auf den Sohn vererbt haben, der keine leichte Kindheit verbracht hatte, da die Eltern nach dem Brauch der Zeit, was die Kindererziehung betrifft, mit strengster Härte vorgingen. Mit fünf Jahren schon geht Martin auf die Lateinschule (Fächer Latein, Schreiben und Singen). Rechnen wird nicht erteilt, dazu fehlen noch die Lehrbücher. 1498 kommt er 14-jährig auf die Pfarrschule St.Georg in Eisenach, 1501 wird er an der Universität Erfurt immatrikuliert. Grammatik, Logik, Philosophie und Dialektik stehen auf dem Arbeitsplan. Streitgespräche führen bzw. das Disputieren wurde besonders gepflegt.
Darin war Martin bald schon der Meister, wurde von seinen Kommilitonen der „Philosoph“ genannt. 1505 besteht er als Zweitbester von 16 Kollegen das Abschlußexamen als Magister artium. Der Herr Vater ist jetzt überglücklich in der Hoffnung, dass Martin nun Jurist werden würde. Er ist aber überaus unglücklich, als daraus nichts wird. Der junge Mönch entwickelt eine regelrechte Beichtsucht. Er lebt in ständiger Furcht vor dem Zorn Gottes. In Wittenberg an der Elbe hat 1502 der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise eine Universität gegründet. Ein Teil der Professorenstellen wird aus Kostengründen mit Augustinermönchen besetzt. 1508 erhält Luther hier eine Stelle für Moralphilosophie. Er schließt hier sein Theologiestudium ab mit der Promotion zum Baccalaureus ad biblia. 1512 wird er in Wittenberg feierlich zum Doktor der Theologie promoviert, erhält einen Lehrstuhl für Bibelerklärung und wird Prediger in der Kloster- und der Stadtkirche. 1515 wird er Distriktsvikar mit Aufsicht über 11 Klöster in Thüringen und Sachsen. Das Wort des Paulus: „Der Gerechte wird aus dem Glauben das Leben erhalten“, wird für ihn überaus bedeutsam. Er hat damit eine Antwort auf all die quälenden Fragen der Vergangenheit. „Wer da glaubt, der hat Gnade und ist gerecht vor Gott und ist selig.“ Dieses Turmerlebnis, genannt nach der kleinen Stube im turmartigen Obergeschoß des Klosters, das bis zu seinem Lebensende sein Arbeitsraum bleibt, ist der Ursprung der Reformation. Zum Glauben bedarf es also keiner Mittlerschaft, auf der z.B. die Institutionen der Kirche  beruhen sowie ihre Lehren. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wird von rivalisierenden Landesfürsten regiert. Es sind Reichsstädte und Stadtrepubliken, die unmittelbar dem Kaiser  unterstehen. Der Kaiser  ist Maximilian I. aus dem Hause Habsburg, dessen Enkel Karl wird auf diese Weise 1516 König von Spanien und Herr der Niederlande.

Die Kirche

Die meisten Weltpriester sind in dieser Zeit ungebildet, in Klöstern wird kaum noch Gelübden gemäß gelebt. Die ältesten erhaltenen deutschen Privatbriefe sind Liebesbriefe von Mönchen an Nonnen. Bischofssitze sind zu Schacherobjekten geworden.

Dass die Kirche  reformbedürftig ist, erkennen schon vor Luther viele Äbte. Aber es geschieht nichts.

Der Papst

Leo X. aus dem Medici-Hause, mit 14 Jahren schon Kardinal , ist ein großer Mäzen und Künstler der Renaissance. Unter ihm werden Meisterwerke der Kunst geschaffen, aber religiöse Probleme sind im Grunde dem liebenswürdigen Leo ziemlich fremd. Geld aber braucht er so gut wie immer. Diese Geldklemme hat weltgeschichtliche Folgen. Manche Ämter kosteten gutes Geld. Wer in dieser Klemme war, konnte sich vor allem vom Augsburger Bankhaus Fugger benötigte Summen vorstrecken lassen, so z.B. für die Übernahme des Titels Erzbischof in einer anderen Stadt. Erzbischof Albrecht übertrug nun die Durchführung der Aktion Ablaßbriefe in den mitteldeutschen Bistümern dem Dominikanermönch Johann Tetzel als Ablaßprediger, dem das Lieblingswort unterstellt wird: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt.“ Tetzel versteht sein Geschäft: Für den Brief zahlen Fürsten 25 Gulden, Adlige zehn, gutsituierte Bürger sechs und sozial Schwächere einen Viertel Gulden. Luther ist empört und schlägt am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen am Portal der Schlosskirche in Wittenberg an.

Diese schickt er ebenso dem Erzbischof Albrecht von Mainz. Wer nur hat die lateinischen Thesen ins Deutsche übersetzt? Wie ein Lauffeuer verbreiten sie sich in ganz Deutschland . Das Echo ist unbeschreiblich und ein wuchtiger Schlag gegen die Praxis der Kirche . In der Tat gehen Tetzels Ablaßeinnahmen zurück. Er wendet sich an die Dominikaner, die beim Papst  in Rom Luther als Ketzer  bezeichnen. Im folgenden Kampf verschärfen sich die Gegensätze immer mehr. Am Ende ist Luther für den Papst  „ein Wildschwein, eine Bestie“ und der Papst  für Luther der „Antichrist“, die Kurie ein „Otterngezücht“. Die Dominikaner klagen den Augustiner Luther beim Papst  der Ketzerei  an. Leo X. spricht erst von „Mönchsgezänk“, bald aber wird klar, dass es hier um religiöse Kernfragen geht. Am 7. August 1518 erhält Luther die Vorladung nach Rom zugestellt. Innerhalb von 60 Tagen soll er dort erscheinen. Friedrich der Weise, der sogar Todesgefahr für Luther wittert, ist für ein Verhör in Deutschland . Auf dem Augsburger Reichstag kommt es zu einer mehrere Tage dauernden Diskussion mit dem Kardinallegaten Cajetan. Der Mönch aber bleibt hart. Auch eine lange Disputation in Leipzig mit Dr. Johannes Eck kann einen Widerruf nicht erbringen. „Auch Konzilien können irren.“ Auf diesen Ausspruch Luthers hin ist Eck sicher, ihn wie einst Hus als Ketzer  bezeichnen zu können. Der Papst  droht mit dem Bann, der auch erfolgt. Luther aber wirft die Bannbulle ins Feuer  (Dezember 1520).

Kaiser Karl V.  sichert Luther für den Reichstag zu Worms freies Geleit zu und sollte sein Wort auch halten. Am zweiten Tag vor dem Kaiser  und dem Reichstag sagt Luther u.a.: „Solange mein Gewissen durch Gottes Worte gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es die Seligkeit bedroht und gefährlich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir, Amen.“ Der junge Kaiser  verläßt spontan den Saal, wo die Unruhe groß ist. Er selbst, der mächtige Karl V. , wird später im Augsburger Konfessionsfrieden 1555 die Konfession Luthers als gleichberechtigt anerkennen. Luther war bereits 1546 mit 62 Jahren verstorben. Historischen Berichten zufolge waren zu dieser Zeit nicht weniger als sieben Zehntel der deutschen Bevölkerung lutherisch, eine Zahl, die sich allerdings wieder veränderte.

 

Das Bild in der Stube, in der Luther auf der Wartburg 1521–22 lebte und arbeitete, zeigt ihn, den Junker Jörg, mit vollem Bart.
Das Bild in der Stube, in der Luther auf der Wartburg 1521–22 lebte und arbeitete, zeigt ihn, den Junker Jörg, mit vollem Bart.

Die Wartburg in Eisenach, auf der Luther ein Jahr verweilte und das Neue Testament  vom Griechischen ins Deutsche übersetzte, ist eine aus dem 11. Jahrhundert stammende Wehranlage. Sie wurde 1999 zum Weltkulturerbe erklärt und zieht jährlich mehrere 100.000 Touristen an. Kunstgeschichtlich ist die Wartburg ohnehin eine Attraktion, denn sie vereinigt Baustile aus Romanik , Gotik  und Renaissance.

Am 18. Oktober 1817 fand unter dem Motto Ehre, Freiheit, Vaterland das Wartburgfest statt, wo sich über 500 Studenten für einen freien und geeinten Nationalstaat einsetzten.

 

Martin Luther setzte die Freiheit des einzelnen Christen gegen die Macht von Kaiser , Reich und Papst . Die Folge war der umfassendste Säkularisierungsprozeß, der jemals in der Geschichte des Christentums stattgefunden hat.

 

Die Wiedertäufer: Eine im Gegensatz zu den Kirchen stehende, von Zürich ausgehende Bewegung der Reformationszeit. Sie waren die ersten Vorkämpfer für persönliche Religionsfreiheit. Es gab zwei Gruppen: 1. die Schwertler, die das Reich Gottes gewaltsam erzwingen wollten und 2. die Stäbler. Sie gingen mit dem Wanderstock als Symbol ihrer Friedfertigkeit. Die Forderung der Erwachsenentaufe stand im Vordergrund, daher die Bezeichnung Wiedertaufe. 1534/35 errichtete in Münster ein radikaler Zweig der Wiedertäufer das „Neue Zion“, Kirchen und Klöster wurden geplündert und Gütergemeinschaft eingeführt. Die Zurückeroberung der Stadt gelang erst nach sechzehn Monaten, die Bestrafung fiel adäquat hart aus. Die Wiedertäufer fanden schließlich in Nordamerika eine Heimat, wo sie noch heute tätig sind.



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